Ohmacht - “Sprachlos”: Review
 
Mit grosser Freude haben wir ein von einem Hörer eine Plattenkritik erhalten, die wir gerne hier veröffentlichen. Interessanterweise ist der Autor (Joel Luc Cachelin) ein Deutscher, der sich sogar die Mühe genommen hat, die berndeutschen Texte ins Deutsche zu übersetzen.
 
zappendust.news
Monday, August 6, 2007
ohmacht – sprachlos      (joel luc cachelin)
 
bereits vor langer zeit vollendet, ist dieses herrliche stück musik nun auch in deutschen gebieten erhältlich. alle beats von mattr. vocals von mattr. gäste sind notthesame (war auch auf der offbeats 3.0 als tapemouth) und materpfahl.

zu bestellen bei
www.vinylkingz.com

die texte sind in berndeusch, doch habe ich mir die mühe gemacht, die mehrheit der worte und sätze in eine verständlichere beinahe-normal-deutsche sprache zu übersetzen. wer diese übersetzung haben möchte, kann mich gerne kontaktieren.

hier mal eine kleine review:

"Der Name verrät schon alles. Und man erahnt noch viel mehr beim Studium des Covers, ohne überhaupt einen Ton von sprachlos gehört zu haben. Die Scheibe wird von einem Fisch umhüllt, in dessen Magen sich zwei haarlose Wesen treiben. Sie sind mit Mikrofon und Verstärker ausgerüstet und sprechen zu uns. Sprachlos sind sie nicht. Sie fühlen sich sprachlos.

So auch Ohmacht. In sechzehn Geschichten erzählt er von der Suche nach seinem Ich, der Suche und der Hoffnung auf Leben. Diese Suche ist anstrengend, die Grenzen zwischen Leben und Tod vermischen sich. Die Stimmung der „Ohnmacht“ überträgt sich auf den Hörer. Er wollte ein Album für Menschen machen, die sich in ähnlichen Lagen befinden wie er, als er traurig war. Gemeinsam zweifeln. Gemeinsam leiden. Gemeinsam der Sucht nach Traurigkeit frönen. Das Album ist ein Konzeptalbum, weil sich die Geschichten innerhalb eines engen thematischen Bandes aufhalten und auch musikalisch dieser Tendenz folgen. Da ist diese Suche, diese Jagd nach dem Ich. Da sind die Nähe und die Anbettung des Todes. Da ist das Verlieren in unbedeutenden Momenten des Alltags. Da ist die Verehrung der Undurchschaubarkeit des Lebens. Die Geschichten werden mit Metaphern des Unmöglichen und Märchenhaften aufgelockert, aufgelöst, entfremdet und vielleicht gerade dadurch menschlich und verständlich gemacht. Die Melodien sind traurig, karg, teilweise kaum verhalten. Sie werden weggelassen oder in operettenhafter Manier ausgeschrieen. Dieses Album macht süchtig, weil die Stimmung nachempfunden werden kann und nachempfunden wird.

Zu den stärksten Stücken gehören die den Träger eröffnenden muur und chrüz, in denen Ohmacht zeigt, dass seine Stimme jedes Tempo mitgehen kann, dass er zur Variation von Stimme und Melodie fähig und gewillt ist, dass er klassische Elemente des Hip-hops mit aus entfernten Musikstilen und –konzepten entnommenen Elementen mischen will und mischen kann. Oder die schueschachtle, die besonders intensiv die Vergänglichkeit des Lebens dokumentiert – „Es oschternächst ire schuechschatle […] zchind het freud und glanz i de ouge“ und uns an vergangene, unbeschwerte oder eben gerade sehr beschwerte Momente in unserer Kindheit und Jugend erinnert. Oder gloube, das sich im Regen der Negativität von der Hoffnung und der Unbeschwertheit der Verliebtheit erzählt.

So intelligent und konsequent das Album daher kommt, so anstrengend und monoton ist es auch. Das Album lässt sich kaum an einem Stück hören. Das Album verhindert durch seine Konsequenz, dass der Hörer aufatmen und sich entspannen kann. Den Hörern wird keine Pause, keine Entspannung gegönnt. Es ist kein Album, das man gleichzeitig zum Lesen oder Arbeiten hört. Es ist ein nachdenklich stimmendes Album, das die eigene Glücklichkeit bzw. Unglücklichkeit in Frage stellt. Bin ich glücklich? Warum bin ich unglücklich? Wie finde ich aus dem Ist heraus? Und wie schnell ist der glückliche Mensch doch zurück in seinem vertrauten Unglück?

Ja, das Album hebt sich durch das Bekenntnis zum Schlechten, Negativen und Traurigen angenehm vom restlichen Hip-Hop-Brei ab. Aber es ist auch ein Album, das eher Kunst als Musik ist und daher einen aktiven, verständnisvollen Hörer verlangt."